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Schafft eins, zwei drei … viele Stadtteilzentren!

Für das „centro sociale“ im Karolinenviertel!

Seit einigen Monaten engagieren sich Initiativen und Einzelpersonen aus dem Karolinen- und Schanzenviertel für die Gründung eines unabhängigen und nichtkommerziellen Stadtteil-zentrums im ehemaligen Pferdestall des früheren Schlachthofgeländes unter dem Dach einer Sozialgenossenschaft.

Das Projekt Rote Flora erklärt sich mit den künftigen Nutzer_innen und Betreiber_innen solidarisch und fordert alle auf, gemeinsam für die Durchsetzung des Zentrums zu kämpfen!

Seit Ende der 80er Jahre das Projekt der angeblich „behutsamen Stadterneuerung“ im Schanzen- und Karolinenviertel unter Federführung der zunächst städtischen „Stadt-entwicklungsgesellschaft“ (Steg) gestartet wurde, haben sich die beiden Quartiere rasant verändert. Die Modernisierungsmaßnahmen des Wohnungsbestandes haben sich wie damals befürchtet als Schrittmacher für eine Aufwertung und Wohnwertsteigerung erwiesen. Die Nutznießer dieser Entwicklung waren nicht Menschen, die hier vor 18 Jahren gewohnt haben, sondern diejenigen, die im Rahmen des Hamburger Standortkonzeptes in die Altbauquartiere mit „Flair und Ambiente“ hineingeholt werden sollten und inzwischen alteingesessene Bewohner_innen und Gewerbetreibende verdrängen. Die mittlerweile privatisierte Steg nennt diese Standortaufwertung mit all ihren negativen Auswirkungen für das Karolinen- und Schanzenviertel einen Erfolg ihrer Arbeit.
Wir sagen hingegen, dass diese Entwicklung eine Niederlage bedeutet für diejenigen, die z.B. bezahlbaren Wohnraum und die Teilhabe am öffentlichen Raum ohne den Zwang zu konsumieren, noch immer für erstrebenswerte politische Ziele halten. Die Entwicklung im Schanzen- und Karolinenviertel hat dafür gesorgt, dass (Alters-)Armut, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit nicht nur aus dem Straßenbild verbannt wurden, sondern Projekte wie der Fixstern als Einrichtung der niedrigschwelligen Drogenhilfe systematisch aus dem Quartier herausgeschmissen wurden. Anderen stadtteilbezogenen Projekten wie dem „Mädchentreff“ oder „Aizan“ wurden in den letzten Jahren massiv Mittel gekürzt, ohne dass sich die Steg darum gekümmert hätte.
Wir wissen, dass auch Projekte wie die Rote Flora und andere subkulturelle Initiativen in St. Pauli im Rahmen der Gentrification Teil dieses Aufwertungsprozesses gewesen sind. Trotz allem war es die Entscheidung der politisch Verantwortlichen, weder die Möglichkeiten der sozialen Erhaltungssatzung zu nutzen, noch eine klare Direktive für sozialen und mietpreisverträglichen Wohnungsbau zu geben. Stattdessen erleben wir seit einigen Jahren, dass hier nahezu ausschließlich Eigentumswohnungsbauprojekte entstehen bzw. Mietwohnungen entsprechend umgewandelt werden. Parallel wurde der Montblanc-Komplex unter Ausschluss der Öffentlichkeit an eine Frankfurter Immobilienfirma verkauft, die dafür bekannt ist, sich weniger für stadtteilverträgliche Nutzungskonzepte zu interessieren, als vielmehr Anlegern attraktive Renditen zu ermöglichen. Der sprichwörtliche Ausverkauf dieses Komplexes (VHS, 3001-Kino, Schanzenstern, Alchemilla-Projekt) wird nur noch eine Frage der Zeit sein. Zu den künftigen Auswirkungen der nicht abgeschlossenen Messeerweiterung und des Mövenpick-Luxushotels muss an dieser Stelle nicht mehr viel gesagt werden.

Das „centro sociale“ wird diese Spirale der Aufwertung nicht stoppen können. Doch die Inititator_innen zeigen, dass es in diesen Stadtteilen Bedarf an Räumen gibt, die nicht Teil der Festivalisierung sein wollen und nicht die bloße Kulisse für Ausgehmeilen à la „Piazza“ abgeben wollen. Das Schanzen- und Karolinenviertel braucht diese Orte der Gegenentwürfe zu Latte-Macchiato-Meilen, Loungeprojekten und Boutiquenklitschen!

Roten Flora, Juli 2008

Rote Flora
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